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79
Gaevle 06.06.2010 60° 41,6´N 017° 13,4´E
Um kurz vor zwoelf komme ich mit meinem Eis (es ist Sonntag)
auf die Bruecke. Der Lotse ist schon da, um 11.58 biegen wir in die
Holmuddsraennan ein, die ich vor einem Jahr schon mal detailliert beschrieben
habe: Knapp zusammengefasst eine 2 km lange & 10,90 m tiefe schmale Rinne,
die mal in den felsigen Untergrund gesprengt wurde. Wir fahren da mit 8,50 m
Tiefgang & 6 kn Geschwindigkeit durch. Ab & zu mache ich ‘ne
Notiz in der Karten, an welcher Stelle wir wann sind, notiere auch mal was im
Bell Book, dem Manoevertagebuch, aber ansonsten sehe ich mir an, wie wir durch
die hohle Gasse kommen & was fuer schoene
“Bullerbue”-Holzhaeuser hier rumstehen, der Sonnenschein passt gut
zu meinem Eis.
Bis jetzt um 20.00 passierte nichts sehr spektakulaeres:
Eigentlich muesste ich nach dem Anlegen die Wasserdichte messen, weil ich die
aber noch im Kopf hatte vom letzten Mal habe ich schon in Rauma 1,000 auf die
entsprechende Deck 6-Tafel geschrieben. Was hier allerdings von Standard
abwich: Wenn wir hier in Gaevle anlegen, markiert ein grosser roter Kegel die
Stelle, an der unser Heck sein muss. Das haben wir beim Anlegen exakt
eingehalten, aber spaeter meinte der Chiefmate, dass die Containerbruecke nicht
an unsere Luke 1 rankommt & wir mithin 42 Containerverbindungsstuecke
(sogenannte “self-hanging” bzw “stacking cones”) von
Hand an Land geben sollen. Da meinte ich nur: Das koennten wir wohl machen,
aber was ist mit den Containern, die in Luke 1 unter Deck stehen, die sollen
doch hier ausgeladen werden? Da hat er dann den Planer angerufen & die
Ueberraschung: Der sagte, er wuesste schon von dem Problem! Da fragen wir uns,
warum er dann nicht gehandelt hat. Merkwuerdige Arbeitsauffassung. Er versprach
aber, sich um eine Genehmigung fuer das Verholen um wenige Meter zu kuemmern
& uns zurueckzurufen. Spaeter kam irgendeiner von den Hafenarbeiterheinis
zu mir & meinte, wir koennen unser Schiff nun bewegen, es waere alles
geklaert. Obwohl ich ja bei vielerlei Dingen ein Freund von “kurzen
Dienstwegen” bin, habe ich ihm gesagt: “Erst muss Dein Planer bei
uns anrufen, eher machen wir hier ueberhaupt nichts”. (Da kann ja jeder
kommen, vor allem: Ein Schiff ohne Lotsen in einem fremden Hafen zu bewegen ist
was anderes als ein Auto umzuparken, das kann u.U. riesige Strafzahlungen nach
sich ziehen, wenn es auch nur um wenige Meter geht). Die Sache an sich
funktionierte relativ einfach & war in wenigen Minuten erledigt: Waehrend
ich vorne mit zwei Matrosen war, hantierte der Erste achtern mit zwei Helfern.
Wir fierten (=rausgeben) die Leinen, die “nach vorne zeigen” &
hievten (=ziehen) die anderen. Somit bewegte sich die BARMBEK ganz langsam
rueckwaerts. Sobald die Krananweiser mir zeigten, es wuerde passen, machten wir
wieder alles fest & das war’s. Was wie immer dabei am laengsten
dauert, ist das Ein- & Aus-Kuppeln der Winden, das Feststellen ihrer
Bremsen & das Belegen der gruenen Leine. Zusaetzlich zu den normalen,
weissen, aufgetrommelten (Polypropylen-)Leinen, von denen wir vorne &
achtern jeweils vier Stueck haben, muessen wir naemlich jeweils immer noch eine
gruene (Dyneema oder so aehnlich) nehmen. Nicht unbedingt immer sinnvoll, aber
der Kapitaen ist der Kapitaen & der will das so haben.
Gute Nacht.
nnnn
76 Antwerpen-Delwaidedok 27.05.2010 51° 19,6´N
004° 20,6´E
Um kurz nach sechs ging meine nachmittags-Hafenwache zu Ende
& ich glaube, es war die schlimmste, die ich bisher erlebte. Dass es im
Hafen stressig sein kann, kenne ich ja, auf der “Rialto Bridge” war
es z.B. in Shanghai nicht einfach, den Ueberblick zu behalten bei 5
Containerkraenen, Ersatzteillieferungen, Besatzungswechsel, Technikern &
Schweissern von Land fuer Arbeiten an Deck & in der Maschine,
Proviantlieferungen, Behoerdenleuten usw. Das Schiff hatte 3800 TEU & Pontonlukendeckel.
Aber diesmal ging es nur um ein 1600 TEU-Schiff, dennoch war
es – fordernd: Wir luden u.a. 166 Kuehlcontainer & das allein ist
schon eine nervenaufreibende Sache, da der Deckswachmann & ich die selbst
anschliessen muessen & ich zusaetzlich noch kontrollieren muss, ob sie
korrekt funktionieren. Darueberhinaus schreibe ich noch die Temperaturen auf,
die eingestellte & die aktuelle. Zusaetzlich wird bei jedem Kuehlcontainer
die tatsaechliche Position notiert, denn kein einziger! von denen wurde
dahingestellt, wo er geplant war. Weil es soviele sind, werden die meisten
unter Deck gefahren, so dass man immer runter & raufklettern muss. Wie
immer mussten wir uns aber auch darum kuemmern, dass die Luken hydraulisch auf-
und zugefahren wurden & die sogenannten Stopper in den Schachtfuehrungen in
die jeweils korrekte Position kamen. Was der Dritte mir nicht gesagt hatte, war
das wir schon um 1200 leicht auf dem Kopf lagen (Tiefgang vorne groesser als
hinten). Unser Heck kam zu stark aus dem Wasser, unsere Gangwayplattform wurde
dadurch zerstoert. Die normale Gangway ist schon seit Wochen kaputt, so dass
wir auf die sogenannte mobile Gangway angewiesen sind. Dies reicht eigentlich
schon fuer eine ausgefuellte Ladunswache, aber dann entdeckte unsere Schiffscrew
noch eine gelbliche, oelige Fluessigkeit, die sich um unser Schiffsheck
ausbreitete: Oelunfallalarm! Der Hafen von Antwerpen ist der dreckigste Hafen,
den ich bisher gesehen habe. Aber selbst hier ist ein Oelunfall eine ernste
Angelegenheit. Waehrend der Chiefmate sich draussen mit unserer Crew um die
Sache & um die Gangway kuemmerte, war ich im Ladebuero mit Ballasten
beschaeftigt bis er mich
abloeste. Der Kapitaen verstaendigte die zustaendigen Stellen, drei Stunden
spaeter kamen dann Polizei und ein Boot einer Oelbekaempfungsfirma
(“Pollution Fighter I”), das eine Oelsperre auslegte. Von Land aus
sollte dann das Oel von der Oberflaeche abgesaugt werden. Jemand sagte unserem
Chief, wir muessen kurz die Maschine starten, damit das Zeug an Land gedrueckt
wird, aber dann erschien der Dockmaster
(Hafenkapitaen), der ebendies sofort untersagte. Darueberhinaus uebergab er
unserem Kapitaen ein Formular, das das Ablegen untersagte. Das ist das
sogenannte “an die Kette legen”. Wir sollten die Abfahrtgenehmigung
erst bekommen, nachdem unser Schiff von aussen sauber sei. Mittlerweile war
klar geworden, dass etwas weiter weg auf dem Containerterminal ein
Tankcontainer geplatzt war. Der Inhalt lief ueber die Abfluesse bis ins
Hafenbecken, wo es auf unser Schiff traf. Wir hatten den Hafenarbeitern schon
zu Anfang gesagt, dass das Zeug vom Terminal kaeme, aber es hatte sie schlicht
nicht interessiert.
Die Pollution Fighter Firma kam mit ihrer Aufgabe nicht
klar: Da steht ein spezieller Tankwagen an Land, ein Maenneken haelt einen
Schlauch in Wasser, um das Oel abzusaugen. Alle paar Sekunden muss er die
Schlauchoeffnung von Plastikflaschen, Dosen, Holzstuecken & sonstigem Muell
befreien. Nach einiger Zeit gab die Firma auf & die Firma Maritime Antwerp
Cleaning kam mit einem Spezialschiff & einem Tankwagen. Dieses Unternehmen
– MAC - kennen wir schon von unserer Zeit im Trockendock mit der Eilbek.
Das ging professioneller vor & reinigte auch unser Schiff von aussen. Den
Vorarbeiter habe ich um 0100 gesprochen. Er meinte, das Zeug sei eine Art
Baumharz. Die Kosten pro Stunde: Einsatz Spezialschiff 360EUR, LKW 150EUR,
Maenneken 30-40EUR. Mehrere Stunden war MAC am machen & tun. Waehrenddessen
hatte ich mich
mit der Kuehlcontainerliste beschaeftigt. Der Dritte hatte zwei Listen &
war mit dem uebertragen nicht fertig geworden. Er meinte, ich haette womoeglich
einige Fehler gemacht. Tatsaechlich war es so, dass alle “meine”
Container korrekt waren, dass er oder sein Matrose aber einige Staupositionen
mehrfach vergaben. Dieses Korrigieren hat Stunden gedauert, obwohl ich es ganz
systematisch gemacht habe.
Um drei kam wieder ein Dockmaster,
der sagte wir muessen auf einen Vertreter des Schiffahrtsgerichtes warten. Als
dieser um kurz vor fuenf immer noch nicht da war, habe ich unseren Agenten
angerufen. Der sagte dann, wir haetten gruenes Licht & sollen um acht
losfahren. Schon wieder eine Verschiebung: Erst war 2200 Uhr geplant, dann
0200, dann 0600 & nun 0800. Selbst als ich die Wache schon um 0600 an den
dritten Offizier uebergeben hatte, war nicht Schluss: Beim Ablegen &
Schleusen musste ich schon wieder auf der Achterstation sein, so dass ich erst
um 0930 fertig war.
nnnn
75 Rihtniemi 21.05.2010
Unsere Strahler sind kaputt. Genaugenommen funktionieren
sie, aber das Anmachen ist problematisch: Wegen eines Fehlers auf einer von
fuenf elektronischen Steuerkarten kann man Bug- & Heckstrahler nicht
einfach so starten. Mit einem – abenteuerlichen – Trick gelingt es
manchmal. Manchmal aber auch nicht, es gibt immer nur einen Versuch & wenn
es nicht klappt, brauchen wir einen Schlepper, oder sogar zwei wie letztens in
Baltiysk. Zum Glueck sind die da sowieso vorgeschrieben, das heisst bezahlt
werden muessen sie vom Charterer. Wo jedoch wie heute morgen in Rauma,
Schlepper nicht vorgeschrieben sind, muss unsere Reederei die Schlepperei
selbst bezahlen.
Es ist hier an Bord unschoen geregelt mit dem An- &
Ablegen; bei jedem Anlegen muessen alle Offiziere mitmachen, das war ok, als
wir die Atlantiktour hatten, aber fuer den Betrieb als Zubringer- &
Verteilerschiff (Feeder) ist das keine gute Loesung, schliesslich habe ich im
Hafen sowieso taeglich 12 Stunden Dienst (24-06 & 12-18 Uhr) & bisher
war das Anlegen hier immer ausserhalb meiner Wachen. Der Nordostseekanal ist
von der beschriebenen Regelung ausgenommen.
Im Nordostseekanal began meine erste Wache dieses Einsatzes,
in einer Brunsbuetteler Schleuse. Ich hatte mich gewundert, dass es da auf der Bruecke
nur drei Becher gab, was fuer eine Passage des “Grabens” viel zu
wenig ist: Ausser dem Wachoffizier sind ja auch noch ein Lotse, zwei sich
abwechselnde Kanalsteurer & manchmal noch der Kapitaen auf der Bruecke.
Darueberhinaus wechselt der Lotse in Ruesterbergen, etwas westlich von
Rendsburg.
Gestern aber habe ich die anderen Becher gefunden –
im Brotkasten.
Der finnische Lotse ging vorhin von Bord. Wir fahren nun von
Rauma/Finnland nach Gaevle/Schweden, das wird eine ruhige Ueberfahrt.
nnnn